Telefondesinfizierer

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»Ja, also schön«, nahm er den Faden wieder auf, »die Idee war, daß in das erste Raumschiff, die Arche A, all die genialen Führungspersönlichkeiten kommen sollten, die Wissenschaftler, die bedeutenden Künstler, verstehen Sie, die großen Macher;

und ins dritte Schiff, die Arche C, kamen alle Leute, die die ganze Arbeit machen, die die Sachen tun und die Dinge machen;

und schließlich in die Arche B – das sind wir – kamen alle übrigen: Filmproduzenten, Telefondesinfizierer, Frisöre, Unternehmensberater und Versicherungsvertreter. Mittelsmänner und Agenten, verstehen Sie?«

Er lächelte sie glücklich an.

»Und wir wurden als erste losgeschickt«, schloß er und summte eine kleine Badewannenmelodie.

»Und man stellte sicher, daß ihr als erste wegkamt, stimmt‘s?« erkundigte sich Arthur. »Aber ja«, sagte der Kommandant, »tja, alle sagten – sehr reizend, wie ich finde -, daß es doch sehr wichtig für die Moral ist, das Gefühl zu haben, man kommt auf einen anderen Planeten und kann sich darauf verlassen, daß man dort einen guten Haarschnitt erhält und daß die Telefone sauber sind.«

»Oh ja«, stimmte Ford ihm zu, »das verstehe ich, das ist sehr wichtig. Und die anderen Schiffe, äh … sind Ihnen dann gefolgt, nicht wahr?«

»Ach. Tja, komisch, daß Sie darauf zu sprechen kommen«, sagte er und erlaubte sich ein leichtes Stirnrunzeln zu Ford hinüber, »denn merkwürdigerweise haben wir keinen Piep mehr von ihnen gehört, seit wir vor fünf Jahren losgeflogen sind …

The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy

Jede Gesellschaft scheint so etwas wie Telefondesinfizierer zu kennen: Funktionen, Branchen und Einrichtungen, bei denen man sich fragt, ob sie irgendjemand vermissen würde, wenn es sie von jetzt auf gleich nicht mehr gäbe.

Auch die deutsche Gesellschaft hat ihre ganz eigenen Telefondesinfizierer – Einrichtungen, die nichts sinnvolles zum Markt oder Gemeinwohl beitragen und auf Kosten der produktiven Mehrheit vor sich hin existieren:

IHK
Die Industrie- und Handelskammern sollen so etwas wie die Interessensvertretung von Unternehmen gegenüber Politik und Gemeinden sein. Mitgliedschaft und Beitrag ist für jedes Unternehmen Pflicht. Dementsprechend gut sind die Gegenleistungen, die man als Unternehmer für diesen Zwangsbeitrag bekommt. Man muss sich ja keine Mühe geben, die Beiträge fließen eh. Allein wofür, das weiß niemand so genau. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen werden von der IHK eigentlich gar nicht vertreten.

The Agency Formerly Known As GEZ
Seit Anfang 2013 muss jeder Haushalt und jedes Unternehmen in Deutschland einen Rundfunkbeitrag zahlen. Mal abgesehen davon, dass man – natürlich – auch dafür keine adäquate Gegenleistung enthält, sollte man eigentlich meinen, dass sich der Verwaltungsaufwand im Vergleich zur früheren geräteabhängigen Gebühr deutlich reduzieren sollte. Aber weit gefehlt. Die Mitarbeiter der Ex-GEZ müssen ja irgendwie weiter beschäftigt werden. Und wer nur “in Mülltonnen wühlen” und “unerlaubt in fremde Wohnungen eindringen” gelernt hat, findet woanders halt nur schwer einen Job. Also hat man sich eine neue Beitragsservice Agentur ausgedacht, die dem Bürger nun anstelle der GEZ auf die Nerven gehen kann.

GEMA
Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte ist eine quasistaatliche Verwertungsgesellschaft für musikalische Werke. Ein Großteil der Musikschaffenden ist Mitglied dieser Gesellschaft. Wann immer jemand öffentlich Musik aufführt oder zum Verkauf anbietet, hält die GEMA die Hand auf. Dabei gilt die so genannte GEMA-Vermutung, die erst einmal davon ausgeht, dass jedes öffentlich dargebotene Musikstück GEMA-pflichtig ist. Es ist an dem Anbieter selbst, der GEMA nachzuweisen, dass ein Musikstück nicht GEMA-pflichtig ist. Dies ist eine eigentlich in unserem Rechtssystem unzulässige Umkehrung der Beweispflicht, aber wen kümmert das schon? Bürokraten wollen schließlich auch von irgendwas leben.

Dabei hat die GEMA ein herausragendes Marketingkunststück geschafft: Von einem völlig undurchsichtigen, arkanen Verteilsystem der eingenommenen Gebühren für Nutzungsrechte profitieren vor allem die bekannten, erfolgreichen Musikschaffenden. Unbekanntere Künstler, die von ihrer Musik meist nicht leben können, sehen auch von den GEMA Gebühren kaum etwas. Gleichzeitig verteidigen aber gerade diese Künstler absurderweise oft die GEMA. Vermutlich weil’s so ein herrlich planwirtschaftliches Modell ist, bei dem man sich um so schnöde Dinge wie Vermarktung nicht selber kümmern muss und sich deswegen weiter als rebellischer, antikapitalistischer Künstler fühlen darf. Derweil lacht sich Dieter Bohlen ins Fäustchen.

Neue Ideen für Musikvermarktung haben in Deutschland jedenfalls keine Chance. Ein Unternehmen wie Spotify kann es in Deutschland nicht geben, weil es von der GEMA bereits bevor es den ersten Cent verdient hat, direkt in den Ruin getrieben wird.

Mittlerweile hat die GEMA das Rad mit Gebührenerhöhungen für Veranstalter derart überdreht, dass sich große Veranstalter bereits überlegen, in Zukunft nur noch GEMA-freie Bands zu verpflichten. Dann hätte die GEMA ihr offensichtliches Ziel, den Musikmarkt in Deutschland kaputt zu machen, wohl endlich erreicht. Vielleicht kommt dann die GEMA-Zwangsmitgliedschaft für alle Musiker in Deutschland. Eine Musikermeldepflicht. Herrlich. Würde mich nicht wundern.

About the author: Bjoern
Independent IT consultant, entrepreneur

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